Erfahrungsberichte

Eigene kleine Welt

Arbeit am Tonfeld® mit einem 9-jährigen Hortkind

Bei C. war bereits ADHS mit einer Medien-und Fernsehabhängigkeit diagnostiziert. C. war unfähig zu spielen oder sich alleine zu beschäftigen. Er suchte zwar den Kontakt in der Gruppe, kommentierte jedoch nur das Spielen der Anderen und war unfähig sich an Regeln zu halten bzw. wollte diese stets selber vorgeben. Funktionierte das nicht, begab er sich zur nächsten Gruppe bei der er wieder scheiterte. Anfangs suchte C. dauernd den Kontakt zu den Pädagoginnen im Büro, da dort der Computer stand. Starrte dann in den Bildschirm und hielt dies vom Arbeiten ab, bis er Büroverbot bekam.

Alle Versuche ihm das Spielen mit anderen zu ermöglichen scheiterten an seiner mangelnden Fähigkeit sich zu integrieren. Deshalb wurde er zur Tonfeldtherapie vorgeschlagen, da diese Therapieform unmittelbar ist und keine Hilfsmittel vorsieht. Die Kinder somit lernen nur aus sich selbst zu schöpfen und diese Impulse umzusetzen, und so eine Erfahrungswelt offenlegt die C. bis dahin nicht kannte. Die Erkenntnis nichts weiter zu brauchen als eine Idee. So war mehr als bezeichnend das C. das erste Kind war, das Sandspielformen mit in die Therapiestunde nehmen wollte, wieder davon ausgehend Hilfsmittel zu brauchen um etwas zu schaffen. “Aber ich muss doch etwas Besonderes machen” war seine Aussage dazu.

Erst als die Pädagogin ihm erwiderte, dass er etwas Besonderes sei, und alles was er mit seinen Händen schaffe damit auch” konnte und wollte er auf seine Förmchen verzichten. C. kannte keine Freizeitgestaltung ohne Computer, Playstation oder Fernseher, deshalb wurde in diesem Fall auch von der Therapeutin auf die Mutter eingewirkt, immer mit dem Ziel ihrem Kind eine Gesundung zu ermöglichen. Während C. anfangs in der Therapie nur redete, schaffte er es zunehmend den Ton für sich und seine aufkommenden Phantasien zu nutzen. Die Erfahrung nur sich selbst zu brauchen, um sich zu beschäftigen beruhigte ihn zunehmend. Nach mehreren Stunden entdeckte er auch in der bestehenden Einrichtungsstruktur das Werken für sich und gehörte immer zu den Ersten, die sich dafür eintrugen. Seine Konzentration galt plötzlich nicht mehr den Anderen sondern ausschließlich dem, was er herstellen oder machen könnte. Es bedurfte langer Zeit und immer wieder der Ermutigung die bestehenden Suchtstrukturen von C. zu durchbrechen. In seiner letzten Therapiestunde formte C. eine große Kugel aus dem Ton, weil dort nach seinen Aussagen alles darin sei, was er in den bisherigen Stunden geformt hatte.
Eben seine eigene kleine Welt, die er erst jetzt entdeckt hatte.

Alexandra Bürg, Leiterin der KiTa Brittingweg 8

Peter schwimmt sich frei

Arbeit am Tonfeld® mit einem 4-jährigen Jungen

Peter* kam mit viereinhalb Jahren zu mir zur Stimmtherapie.
Er hatte Schreiknötchen (eine organische Veränderung an den Stimmlippen aufgrund falschen Stimmeinsatzes). Er konnte das „sch“ und „r“ nicht bilden und verwechselte teilweise „t“ und „k“. Im freien Spiel oder beim Malen wurden seine Bilder immer überschwemmt oder endeten im Chaos. Als Peter zu mir kam, hatte er bereits zehn Stunden bei einem Logopäden absolviert. Die Therapie wurde abgebrochen, da sie erfolglos war und Peter nicht mehr hingehen wollte.

Ich bot den Eltern die Arbeit am Tonfeld® an. Zunächst arbeitete ich ca. zwanzig Stunden mit Peter am Tonfeld, hatte zwei Elterngespräche und auf Peters Wunsch ca. zehn Stunden ohne Tonfeld im freien Spiel.

Anfänglich wurden die Gestalten im Tonfeld immer wieder mit Wasser überschwemmt, aber mit der Zeit probierte Peter am Tonfeld viel aus und erschloß sich neue Bewegungen. Ein Thema der Tonfeldarbeiten war die Enge, die er immer im Hals gespürt hatte. Am Ende dieser Phase bescheinigte der HNO-Arzt, daß die Stimmlippenknötchen sich nahezu aufgelöst hatten. Peter hatte das „r“ ohne spezielle Therapie in die Spontansprache übernommen, wie wenn sein Hals freier geworden sei und damit das „r“ möglich wurde. Sein Spiel wurde klarer und seine Gestalten wurden nicht mehr überschwemmt.

Nach vier Monaten kam Peter wieder: „Ich habe mir extra Stimmlippenknötchen gemacht, damit ich wieder zu Dir kommen kann.“ Nach den folgenden zehn Stunden bescheinigte der HNO-Arzt, daß Peters Hals und seine Ohren noch nie so gut ausgesehen hätten.

Christine Schoierer, Atem,-Stimm- und Sprachlehrerin, Arbeit am Tonfeld®
(* Name geändert)

Samet findet seine Sprache

Arbeit am Tonfeld® mit einem 9-jährigen Grundschüler

Die Begleitung des neun Jahre alten Samet* erstreckte sich über ein Jahr. Samet ist Türke, ist in Deutschland geboren und hat noch eine 11-jährige Schwester. Seine Mutter spricht recht gut deutsch, der Vater aber kaum. Das Kind hat nach Aussagen der Mutter erst mit vier Jahren im Kindergarten deutsch gelernt. Die häusliche Situation ist schwierig, da der Vater sich kaum um die Kinder kümmert, zu Depressionen neigt und es häufig Streit zwischen den Eheleuten gibt. Samet kommt auf Anraten der Erziehungsberatungsstelle, da es in der Schule große Schwierigkeiten gibt. Er ist zur Probe in der dritten Klasse und es steht eine Sonderschulüberprüfung an, da der Junge kaum spricht und sehr schlechte Leistungen zeigt. Es stellt sich im Laufe unserer Arbeit heraus, dass Samet weder auf deutsch noch auf türkisch Sinn entnehmend lesen kann. Offensichtlich beherrscht er keine der beiden Sprachen richtig. Bei einer späteren Überprüfung, wird eine Sprachentwicklungsstörung und eine Hörverarbeitungsstörung diagnostiziert.

Über den Zeitraum von 16 Tonfeldstunden macht Samet eine erstaunliche Entwicklung vom „Ritzbild“ zur „Achterbahn“: In der ersten Stunde sitzt er, von der Mutter gebracht, schüchtern und ängstlich mit gesenktem Kopf vor dem Tonfeld, spricht kaum, antwortet leise und kaum verständlich auf Fragen. Er ritzt ein Haus in den Ton und malt darüber ein riesiges bedrohliches Flugzeug. Um das Haus malt er allerlei Sicherungsanlagen, aber auch Spielmöglichkeiten. Das einzig Plastische ist ein Fisch im Teich und ein Schneemann, der davor steht. Der Vater angelt gerne, erfahre ich später.

In den nächsten Stunden wird Samet immer munterer. Er baut Dinosaurier, findet Gold- und Silberschätze. Er gräbt geheimnisvolle Höhlen, räumt das Tonfeld aus und beginnt kräftig zu greifen. In der 15. Stunde entsteht ein großer Vulkan. Samet fängt an, von sich aus zu reden und drückt seine Sehnsucht aus, mehr Kontakt zum Vater zu haben. Beim letzten Tonfeld entsteht eine Achterbahn mit kräftigen Stützpfeilern, vielen Höhen und Tiefen. Ende und Anfang der Bahn schließt er zu einem Kreis.

Samet spricht nach dieser Zeit klarer und deutlicher, sein Wortschatz ist größer geworden. Er schaut mich beim Reden an und berichtet auch von sich aus von Erlebnissen. Er ist selbstständiger geworden und kommt alleine zu mir. In der Schule haben sich seine Leistungen verbessert, er kann nun leichte Texte lesen und verstehen. So ist er auch in die vierte Klasse versetzt worden. Aus dem schüchternen, sprachlosen Jungen ist ein eher vorlauter, munterer Viertklässler geworden, der seine Grenzen austestet. Samet hat nicht nur seine Sprache, sondern auch Freunde gefunden.

Kerstin Mattern, Heilpraktikerin, Arbeit am Tonfeld®
(* Name geändert)

Leo trifft eine Entscheidung

Arbeit mit einem 12-jährigen Gymnasiasten

Leo* kommt auf Wunsch seiner Mutter. Die Eltern sind geschieden und der Vater neu verheiratet. Leo wohnt mit seinem jüngeren Bruder bei der Mutter. Seit einiger Zeit möchte nun der Vater, dass Leo zu ihm in die neue Familie zieht, was mit einem Umzug in einen anderen Ort und dem Verlust seines sozialen Umfeldes verbunden ist. Bei den Eltern ist es darüber zu einem großen Streit gekommen. Leo geht es im Moment sehr schlecht , er weint viel, kann schlecht schlafen, hat Bauchschmerzen und möchte nicht über diese Angelegenheit reden. Am Tag, als er zur ersten Tonfeldstunde kommt, scheint es nach Aussagen der Mutter fast beschlossen, dass Leo zum Vater zieht.

Am Tonfeld ist Leo zunächst sehr schweigsam. In der ersten Stunde baut er ein Haus, in dem seine ganze Familie wohnen kann. Er berichtet von sich aus von seiner Situation und seinem “Hin- und Her-Gerissen-Sein”. In der nächsten Stunde baut er eine große Festung, die belagert wird. So fühlt er sich von den Eltern belagert, meint er am Ende. Er hat das Gefühl, den Streit der Eltern schlichten zu müssen. Beim Spiel im Tonfeld trickst er die Eltern aus, indem er sich Versorgungsmöglichkeiten schafft und die Belagerer verhungern müssen. In der dritten Stunde berichtet er, er habe beschlossen, bei der Mutter und so auch bei seinem Bruder, seinen Freunden und in seiner Klasse zu bleiben. Es entstehen rechts und links zwei unterschiedliche Städte, die im Streit sind. Für sich baut er einen gesicherten Platz.

Nach einem Urlaub mit dem Vater, bei dem er sich nicht hat umstimmen lassen, gestaltet er im Tonfeld sein Zimmer neu mit vielen Möglichkeiten. Es darf nur jemand herein kommen, wenn er es erlaube.
Nach diesen vier Stunden geht es Leo besser, weil er sich für seine vertrauten Lebensverhältnisse entschieden hat. Er schließt nicht aus, eines Tages doch zum Vater zu gehen, aber dann will er den Zeitpunkt bestimmen. Mit dem Streit der Eltern möchte er nichts zu tun haben.

Kerstin Mattern, Heilpraktikerin, Arbeit am Tonfeld®
(* Name geändert)

Arbeit am Tonfeld® bei einem Jugendlichen mit ADHS

C., 14 Jahre alt, kam zu mir, weil er erhebliche Probleme hatte, sich sozial einzugliedern, so daß eine Beschulung innerhalb der Klasse trotz vieler Versuche, ihn zu fördern, nur stundenweise möglich war. Er zeigte ein deutliches Potential an Gewaltbereitschaft, empfand keinerlei Empathie gegenüber anderen, hatte große Konzentrationsschwierigkeiten sowie ein überdurchschnittliches Problem mit Hyperaktivität (starke Störung im Bereich ADHS), was von einem Test der Kinder- und Jugendpsychiatrie bestätigt wurde. Ich wurde von C.’s Schule aufgefordert, mit ihm am Tonfeld zu arbeiten.

Bei unserer ersten Begegnung zeigte C. Unsicherheiten in der Wahrnehmung. Er hatte Orientierungsprobleme bezüglich räumlicher, zeitlicher und beziehungsmäßiger Grenzen und Strukturen. Seine Unsicherheit im Umgang mit Emotionen machte ihn zusätzlich unsicher. Darauf antwortete er mit unkontrolliert aggressivem Verhalten.
Es war also geboten, ihm Mittel an die Hand zugeben, mit seinen Aggressionen umgehen zu lernen. Dazu bot sich die Tonerde geradezu an, weil sie formbar ist und Druck ausgesetzt werden kann, ohne Selbst- oder Fremdverletzungen hervorzurufen.
Zur Vorbereitung der Arbeit am Tonfeld gab ich Regeln und Strukturen vor, die eine Art von Ritualisierung und Verläßlichkeit des Rahmens, in dem wir arbeiteten, boten. Dadurch gelang es C. bald, innerhalb der Grenzen des Tonfeldes im Material seine Probleme zu gestalten und für ihn sichtbar zu machen.

Beispielsweise war es für ihn am Anfang einer jeden Arbeit wichtig, seinen inneren Aggressionsdruck durch Schlagen, Zerquetschen der Tonerde etc. auszudrücken. Erst danach konnte er ins konstruktive, gestalterische Tun kommen, was immer sicherer und differenzierter wurde. Auch zeigte sich bei ihm zunehmend eine Veränderung in der Wahrnehmung. Die anfängliche sensomotorische und gestalterische Unsicherheit machte einer gezielten, sehr sensiblen Gestaltungsfreude und der Konzentration und Klarheit im Gestalten Platz.

Schon nach wenigen Tonfeldstunden veränderte sich seine Konzentrationsfähigkeit und sein Umgang mit seiner Umgebung. Er konnte besser Grenzen einhalten, sich konzentrieren und sich ohne Gewalt einbringen. Nach Beendigung der gemeinsamen Arbeit nach 13 Stunden konnte er schließlich sogar problemlos ein Praktikum in einem Betrieb machen.

Kerstin Knappe, Lehrerin an einer Förderschule, Arbeit am Tonfeld®

Josefine nimmt ihr Leben in die Hand.

Josefine* kam auf Anraten ihrer Lehrerin zum Tonfeld. Das 12-jährige Mädchen hat schon vier Schulwechsel hinter sich und geht nun in die 5. Klasse einer besonderen Förderschule. In der Schule fiel sie durch eher vorlautes, nicht dem Alter entsprechendes Verhalten auf. Sie hatte kaum Freunde und Probleme, in der Gruppe zu arbeiten, da sie andere immer kritisiert und bevormundet. Es fiel ihr auch schwer, Regeln einzuhalten. Zu Hause gab es oft Streit mit der Mutter.

Die häusliche Situation ist schwierig. Josefine ist die jüngste in einer Patchworkfamilie, hat vier Halbgeschwister und ist schon mehrfach Tante. Ihren leiblichen Vater kennt sie nicht. Während unserer gemeinsamen Zeit geht die aktuelle Beziehung der Mutter auseinander.

Josefine hat 30 Stunden am Tonfeld gearbeitet. Nach großer Unsicherheit zu Beginn wurde sie zunehmend kompetenter im Umgang mit dem Material. Neben Geborgenheit und Orientierung, die sie zunächst suchte, kamen immer mehr eigenen Ideen.

Handlungsplanung und Umsetzung wurden immer besser. Das Mädchen hat in dieser Zeit große Entwicklungsschritte gemacht! Ihr Sozialverhalten hat sich deutlich gebessert.

So konnte sie eine neue Mitschülerin, mit der sie zunächst große Probleme hatte, als Freundin gewinnen. Es ist die erste Freundin, die sie an der Schule hat. Ihr Betragen im Unterricht hat sich auch gebessert.

Josefine kann mittlerweile ihr eigenes Verhalten gut reflektieren. Sie weiß, dass sie oft recht aufbrausend ist und sich auch manchmal im Ton vergreift. Es wird aber besser. Die Mutter äußert sich jetzt positiver über das Verhältnis zu ihrer Tochter.

Josefine hat nun das Ziel, an ihrem Verhalten weiter zu arbeiten, um wieder auf eine Regelschule gehen zu können. Das Mädchen hat sich zu einem ganz normalen Teenager entwickelt und beginnt, seinen eignen Weg zu finden. Über die Arbeit am Tonfeld ist sie selbstbewusster und stabiler geworden und sieht nun positiv in eine Zukunft, die sie selbst mitgestalten will.

Kerstin Mattern, Heilpraktikerin, Arbeit am Tonfeld
(* Name geändert)